Bundestag beschließt umfassende Änderungen im Energiewirtschaftsrecht – wichtige Neuerungen für das E-Handwerk
24.11.2025
Am 13. November 2025 hat der Bundestag das Gesetz zur Änderung des Energiewirtschaftsrechts zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Energiebereich verabschiedet. Ziel des Gesetzespakets ist die Umsetzung europäischer Vorgaben sowie die Modernisierung und Harmonisierung zahlreicher energierechtlicher Bestimmungen.
Es betrifft unter anderem das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG), das Messstellenbetriebsgesetz (MsbG), das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), das Energiefinanzierungsgesetz (EnFG) sowie mehr als zwei Dutzend weitere Gesetze und Verordnungen.
Die Änderungen treten am Tag nach der Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft. Für das Elektrohandwerk sind insbesondere die folgenden Punkte von Bedeutung:
Übergangsregelung für „Kundenanlagen“ (§ 118 Abs. 7 EnWG)
Durch europäische und nationale Rechtsprechung besteht seit diesem Jahr die Pflicht, den Begriff der „Kundenanlage“ nach § 3 Nr. 24a/b EnWG EU-konform auszulegen – insbesondere relevant für Mieterstrommodelle.
Für Betreiber solcher Anlagen drohte die Einstufung als Energieversorgungsnetz – inklusive aufwendiger regulatorischer Pflichten. Das neue Gesetz schafft nun eine Übergangsfrist bis zum 1. Januar 2029 für bestehende Kundenanlagen. Diese unterliegen vorerst nicht den umfangreichen Vorgaben für Energieversorgungsnetze.
Zudem hat der Bundestag eine Entschließung verabschiedet, die die Bundesregierung auffordert, zeitnah eine langfristige, praxistaugliche und EU-konforme Lösung vorzulegen.
Netzentgeltbefreiung für bidirektionales Laden und Multi-Use-Speicher (§ 118 Abs. 6 S. 3 EnWG)
Bisher waren nur Stromspeicher netzentgeltbefreit, die ihren Strom vollständig aus dem Netz beziehen und wieder einspeisen. Künftig werden auch Multi-Use-Speicher berücksichtigt, die Energie z. B. aus einer PV-Anlage und dem Netz in Kombination nutzen. Die Neuregelung umfasst auch Strom, der aus E-Autobatterien zurück ins Netz gespeist wird. Damit wird das bidirektionale Laden wirtschaftlich attraktiver und erleichtert den Markthochlauf. Eine vergleichbare Regelung zur Umlagebefreiung existiert im EnFG bereits (§ 21 EnFG).
Einführung von Regelungen zum Energy Sharing (§ 42c EnWG)
Mit dem neuen Rechtsrahmen wird Energy Sharing erstmals gesetzlich verankert. Dabei können Haushalte, KMU und öffentliche Einrichtungen gemeinsam Strom aus erneuerbaren Anlagen nutzen – auch über das öffentliche Netz.
Wichtige Eckpunkte:
- Start 1. Juli 2026: Nutzung zunächst innerhalb eines Verteilnetzes
- Start 1. Juli 2028: Ausweitung auf benachbarte Bilanzierungsgebiete
- Erforderlich ist ein gemeinsamer Vertrag mit u. a. Aufteilungsschlüsseln
- Technisch notwendig: intelligente Messsysteme mit Viertelstundenmessung bei allen Beteiligten
- Es handelt sich nicht um eine Vollversorgung – ein Energieversorger liefert den Reststrom
- Für das E-Handwerk eröffnen sich dadurch neue Geschäftsfelder rund um Messtechnik, Installation und Kundenberatung.
Wechsel zum wettbewerblichen Messstellenbetreiber (§ 5 Abs. 1 MsbG)
Der Wechsel vom grundzuständigen zu einem wettbewerblichen Messstellenbetreiber wird neu geregelt:
Ein Anschlussnutzer kann sein Wahlrecht erst zwei Jahre nach Einbau eines intelligenten Messsystems durch den grundzuständigen Messstellenbetreiber ausüben. Früherer Wechsel ist möglich, wenn beide Messstellenbetreiber zustimmen. Diese Regelung soll Investitions- und Planungssicherheit schaffen und gleichzeitig Wettbewerb ermöglichen.
Klarstellung zur Eintragung ins Installateurverzeichnis (§ 10 Abs. 1 EEG)
Die bislang unklare Formulierung im EEG, dass eine „fachkundige dritte Person“ Anlagen für erneuerbare Energien anschließen darf, wurde präzisiert. Künftig gilt eindeutig der Verweis auf § 13 Abs. 1 NAV – und damit die Pflicht zur Eintragung in das Installateurverzeichnis des zuständigen Netzbetreibers. Das sorgt für mehr Klarheit und stärkt die qualifizierten Elektrofachbetriebe.
Privilegierung für Großbatteriespeicher (§ 35 Abs. 1 Nr. 11 BauGB)
Großspeicher ab einer Kapazität von 1 MWh, die für die Energiewende eine zentrale Rolle spielen, erhalten eine Außenbereichsprivilegierung. Damit wird deren Bau bauplanungsrechtlich erleichtert – ein wichtiger Hebel für Netzentlastung und Flexibilität.
Entschließungen zu Netzanschlüssen und Smart-Meter-Rollout
Der Bundestag fordert die Bundesregierung auf, bis Q1 2026 einen Entwurf für eine umfassende Reform der Netzanschlussprozesse vorzulegen. Zentral sind:
- Digitalisierung und Beschleunigung der Anschlussverfahren
- Höhere Transparenz und Planungssicherheit
- Entlastung der Netzbetreiber und Installationsbetriebe
- Abbau aktueller „Anschlussstaus“
Ebenso wird der schleppende Fortschritt beim Smart-Meter-Rollout kritisiert – insbesondere bei kleineren Netzbetreibern. Gefordert wird eine Verschärfung der Sanktionen gegen säumige grundzuständige Messstellenbetreiber.
Änderungen im Stromsteuergesetz (StromStG): Stromsteuerentlastung und bidirektionales Laden
Parallel wurde auch das dritte Gesetz zur Änderung des Energiesteuer- und Stromsteuergesetzes verabschiedet. Darin enthalten:
- Stromsteuerentlastung: Unternehmen des produzierenden Gewerbes sowie Land- und Forstwirtschaft werden weiterhin bis auf den EU-Mindestsatz von 0,05 ct/kWh entlastet (ab 12,5 MWh/Jahr). Der ZVEH kritisiert, dass diese Entlastung nicht allen Stromverbrauchern zugutekommt.
- Bidirektionales Laden – steuerrechtliche Klarstellung: Neu ist § 5a Abs. 3 StromStG (ab 1. Januar 2026): Nutzer werden durch bidirektionales Laden nicht zu Stromversorgern. Wird rückgespeister Strom vor Ort verbraucht und nicht in das öffentliche Netz eingespeist, fällt keine Stromsteuer an (Vehicle-to-Home / Vehicle-to-Business).
Hintergrund: Der ursprünglich geladene Strom wurde bereits steuerlich behandelt. Dies reduziert Bürokratie und fördert den Markthochlauf bidirektionaler Systeme.
Fazit
Mit den nun verabschiedeten Gesetzesänderungen stellt die Bundesregierung die Weichen für mehr Verbraucherschutz, Digitalisierung und eine beschleunigte Energiewende. Für das Elektrohandwerk ergeben sich daraus klare Chancen:
- Neue Geschäftsfelder im Bereich Energy Sharing und Speicherlösungen
- Erleichterungen bei der Installation und beim Netzanschluss
- Stärkung der Rolle qualifizierter Elektrofachbetriebe
- Attraktivere Rahmenbedingungen für bidirektionales Laden
Wir werden unsere Mitgliedsbetriebe weiterhin über die Entwicklungen informieren und bei der Umsetzung unterstützen.